Die Bewertung einer Immobilie dient als Grundlage für Kaufentscheidungen, Finanzierungen oder steuerliche Angelegenheiten. Während eine Bewertung auf Basis von Daten und Vergleichswerten einen ersten Anhaltspunkt liefern kann, ist eine Vor-Ort-Besichtigung essenziell, um eine realistische Einschätzung des Marktwerts zu erhalten. Im Folgenden werden die wichtigsten Gründe für eine persönliche Begutachtung erläutert.

1. Erfassung des tatsächlichen Zustands der Immobilie

Online-Datenbanken und Pläne geben oft nur eine theoretische Einschätzung der Immobilie wieder. Eine Vor-Ort-Besichtigung ermöglicht es, folgende Aspekte detailliert zu überprüfen:

• Bausubstanz und Sanierungsbedarf: Gibt es Risse in den Wänden, Feuchtigkeitsschäden oder eine veraltete Elektrik? Solche Faktoren beeinflussen den Wert erheblich.

• Qualität der Bauweise und Materialien: Nicht alle Gebäude mit derselben Wohnfläche sind gleichwertig. Die verwendeten Materialien, Dämmung und Verarbeitung sind entscheidend.

• Modernisierungen und Mängel: Eine Besichtigung zeigt, ob Renovierungen fachgerecht durchgeführt wurden oder ob versteckte Mängel bestehen.

2. Berücksichtigung der Umgebung und Lagequalität

Die Makrolage (z. B. Stadtteil, Infrastruktur) kann in Online-Bewertungen berücksichtigt werden, aber die Mikrolage (direkte Umgebung) lässt sich nur vor Ort bewerten:

• Lärm- und Emissionsbelastung: Liegt die Immobilie an einer stark befahrenen Straße oder in einer ruhigen Seitenstraße?

• Nachbarschaft und soziale Struktur: Die Umgebung beeinflusst den Wohnwert. Gibt es Grünflächen, Einkaufsmöglichkeiten oder störende Gewerbebetriebe?

• Ausrichtung und Belichtung: Eine Besichtigung zeigt, ob die Räume ausreichend Tageslicht erhalten oder ungünstig gelegen sind.

3. Individuelle Besonderheiten und Nutzungsmöglichkeiten erkennen

Jede Immobilie hat individuelle Merkmale, die ihren Wert steigern oder mindern können:

• Grundriss und Raumaufteilung: Ein ungünstiger Schnitt kann den Wert reduzieren, während eine offene und moderne Gestaltung gefragter ist.

• Erweiterungspotenzial: Gibt es die Möglichkeit für einen Anbau, Dachausbau oder Nutzungsänderungen?

• Zugänglichkeit und Erschließung: Die Beschaffenheit der Zufahrt, Parkplatzmöglichkeiten oder Barrierefreiheit beeinflussen den Marktwert.

4. Authentizität der Bewertungsgrundlagen sicherstellen

Nicht selten weichen Angaben in Exposés oder Online-Datenbanken von der Realität ab. Eine Besichtigung hilft, diese Diskrepanzen zu erkennen:

• Flächenangaben überprüfen: Stimmt die tatsächliche Wohnfläche mit den angegebenen Werten überein?

• Dokumente und Genehmigungen einsehen: Bauakte, Energieausweis und Grundbuchauszüge sollten mit dem realen Zustand übereinstimmen.

• Verborgene Mängel entdecken: Ein erfahrener Sachverständiger kann Baumängel identifizieren, die auf Fotos oder in Unterlagen nicht sichtbar sind.

Fazit

Eine Immobilienbewertung ohne Besichtigung bleibt eine theoretische Annahme. Nur durch eine Vor-Ort-Prüfung können entscheidende Faktoren wie Bausubstanz, Umgebung, Modernisierungsgrad und tatsächlicher Zustand realistisch eingeschätzt werden. Wer eine fundierte Wertermittlung benötigt – sei es als Käufer, Verkäufer oder Finanzierungsgeber –, sollte daher auf eine persönliche Begutachtung nicht verzichten.